56. DRV-Wanderrudertreffen in Hann. Münden

von Annika Thiemer
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Wo Fulda sich und Werra küssen …

13 Ruderinnen und Ruderer machten sich Mitte September auf in das Weserbergland. Hann. Münden war Ort des 56. Deutschen Wanderrudertreffens. Dort wo Fulda und Werra zusammenfließen und die Weser bilden, verbrachten die Brandenburger Wanderruderer drei schöne und ruderisch anspruchsvolle Tage.

Der Mündener Ruderverein (MRV) lud in die Fachwerk- und Dreiflüssestadt Hann. Münden ein und bot für die Gäste aus ganz Deutschland ein umfangreiches Programm. Rund 170 Wanderruderer kamen der Einladung nach und es war ein herzliches Wiedersehen mit Ruderinnen und Ruderern, die bereits 2021 im Saarland oder auch 2019 in unserem R.C.H.B. anlässlich des Wanderrudertreffens zu Gast waren. Und wir Brandenburger Ruderer sorgten mit einer der größten und altersmäßig gemischtesten Delegation für anerkennende Blicke unter den Gästen und Gastgebern.

Nachdem wir am Freitagvormittag von unserem Bootshaus aus aufgebrochen waren, erwartete uns am Bootshaus des MRV bereits die gedeckte Kaffeetafel. Und bei strahlendem Sonnenschein konnten wir das erste Mal auf Tuchfühlung mit der Fulda gehen, an der die großzügige Sportanlage liegt, die auch den MRV beherbergt. Pünktlich um 17 Uhr ging es dann bei der Stadtführung auf Entdeckungstour durch Hann. Münden. Und pünktlich zum Glockenschlag des Rathauses setzte ein erster kleiner Regenschauer ein. Es sollte an diesem Wochenende nicht der letzte bleiben.

Hann. Münden begeisterte Dank der Erklärungen der Stadtführerin mit seiner reichen Handelsgeschichte und den wunderbar erhaltenen Fachwerkhäusern. Vor allem das Rathaus mit dem Glockenspiel, das pünktlich zur vollen Stunde an einen besonders berühmten Gast der Stadt erinnert, war sehr beeindruckend. Mit dem Glockenschlag öffnen sich die oberen Fenster des Rathauses und unter den Klängen des bekannten Volksliedes fährt Dr. Johann Eisenbarth aus dem Fenster, um einem armen Patienten einen sehr großen Zahn zu ziehen. Wenn auch Eisenbarth im 17. Jahrhundert wohl eher selten Zähne gezogen hat, sondern viel häufiger Operationen am Auge durchführte, ehrt ihn die Stadt an vielen Ecken und hält das Andenken an diesen frühen Mediziner wach.

Bei der Stadtführung waren wir dann auch an der Stelle, an der Werra und Fulda zusammenfließen und die Weser ihren Ausgang nimmt. Und wir erfuhren, dass der Weserstein, der von diesem innigen Kuss der beiden Flüsse spricht, gar nicht am eigentlichen Zusammenfluss steht. Doch schon als man den Stein 1899 aufstellte, dachte man an die Gäste der Stadt und setzte ihn an die Spitze der Tanzwerder genannten Insel, wo heute noch Volksfeste und Festivals stattfinden und ein Campingplatz zum Übernachten einlädt.

Der erste Tag ging dann am Bootshaus des MRV zu Ende, wo uns die Gastgeber mit Selbstgegrilltem und Kartoffelsalat versorgten. Übrigens waren die Organisatoren sehr auf Nachhaltigkeit bedacht. Neben dem kompletten Verzicht auf Einweggeschirr und -besteck kamen ausschließlich regionale und fair gehandelte Produkte zum Einsatz.

Den ganzen Abend wurde die Wettervorhersage mit bangen Blicken beobachtet. Regen und Kälte waren für die Fahrten am nächsten Tag vorhergesagt. Und der Abend bot bereits einen ersten Vorgeschmack. Die als Festsaal hergerichtete Bootshalle kühlte schnell aus und wir damit auch. Doch voller Vorfreude auf die Ausfahrten am nächsten Tag ging der Abend zu Ende und wir waren uns einig, dass es für Wanderruderer eigentlich kein schlechtes Wetter gibt.

Am nächsten Morgen hieß es dann nach dem Frühstück im Bootshaus zunächst Abschied nehmen. Denn die Startpunkte für die Hauptfahrt von Hann. Münden nach Beverungen und der Startpunkt für die längere Fahrt nach Höxter lagen etwa zwei Kilometer und eine Schleuse auseinander. Zwar führte das dazu, dass zu Beginn nicht ein großer Bootskorso unterwegs war, sondern zwei kleine sich an den unterschiedlichen Startpunkten aufmachten, aber an der Raststation zur Mittagspause trafen sich dann die meisten Ruderer schon wieder. Und die drei Schleusengänge an der Fulda-Schleuse in Hann. Münden, die für die Ruderboote, die Barke HESSEN und das NRW-Kirchboot mit Ziel Beverungen nötig waren, hätten die Ruderer nach Höxter unnötig aufgehalten und trotz der Strömung der Weser das Ziel in weite Ferne gerückt.

Überhaupt die Strömung. Wir, die wir auf den heimischen Gewässern jeden Kilometer ehrlich errudern, mussten uns an die mit ca. 5 km/h fließende Weser erst einmal gewöhnen. Gut, dass in den gemischt besetzten Booten viele erfahrene Ruderkameradinnen und -kameraden saßen, die uns einige Tipps und Hinweise gaben. Die Fahrt auf dem Stromstrich, also auf dem am schnellsten fließenden Bereich des Flusses und die Manöver zum Anlegen bei dieser Strömung an einem der vielen Schwimmstege waren für uns alle eine neue Erfahrung. Überhaupt waren viele Ruderer beim WRT, die die Weser fast auswendig kennen, lockt doch der Wesermarathon jedes Jahr tausende Wassersportler auf den Fluss. Meist im April wird dann um 6:00 Uhr an der Schleuse in Hann. Münden gestartet. Und für eine Fahrt bis nach Beverungen (53 km) gibt es eine Bronzemedaille, bis nach Holzminden (80 km) eine Silbermedaille und Gold erhält, wer bis Hameln (135 km) kommt. Ganz so früh, ganz so viele und ganz so weit, dass es für Gold oder Silber gereicht hätte, waren wir zwar nicht unterwegs, aber dennoch war die Ausfahrt sehr schön. Das Weserbergland mit den bewaldeten Hängen und den kleinen Städtchen bot eine ganze Reihe neuer Eindrücke. Die Weser war für uns ein wirklich schönes Ruderrevier, auch wenn es durch die Strömung bedeutet, immer nur in eine Richtung unterwegs sein zu können. Und wenn zur Strömung dann auch immer wieder auffrischender Gegenwind dazu kommt, artet auch das Rudern auf der schnell dahinfließenden Weser in echte Arbeit aus. Die Regenwolken schonten uns zunächst noch eine ganze Weile, hatte sich der Wetterbericht doch etwas gebessert und verhieß für den Nachmittag ab 14 Uhr anhaltenden Regen. So konnten wir wenigstens vormittags auf den Regenschutz verzichten. Dachten wir zumindest. Denn während die Ruderer nach Höxter bereits an der Station zur Mittagsverpflegung angelegt hatten und vor einem kräftigen Regenschauer unter der Brücke von Gieselwerder flüchten konnten, traf es die Ruderer mit dem Ziel Beverungen mitten auf dem Fluss. Da war es nur ein kleiner Trost, dass die Meisten kurze Zeit später auch in Gieselwerder anlegen konnten, um sich die Spaghetti Bolognese schmecken zu lassen. Beim fast gleichzeitigen An- und Ablegen am Schwimmsteg zeigte sich etwas die Schwäche der Organisation in diesem Jahr. Man überließ das Rein- und Raustragen den Ruderern selbst, was dazu führte, dass mancher meinte noch schnell das eigene Boot wieder ins Wasser zu setzen, während andere Boote gerade anlegen wollten und durch die Verzögerung wesentlich länger gegen die Strömung ankämpfen mussten. Hier hätte ein ortskundiger Verantwortlicher, der klare Ansagen macht, manche Situation entspannen können.

Als es dann nach der Mittagspause weiterging zeigte sich das Wetter weiterhin unbeständig. Manche Sturmböen peitschten die Weser geradezu auf und machten das Rudern zusehends anstrengender. Ein weiterer Regenguss war dann noch einmal hinzunehmen, bevor auf den letzten Kilometern, der diesjährigen Fahrt doch tatsächlich noch die Sonne herauskam. Nach 53 bzw. 68 km kamen die Rudergruppen in Beverungen bzw. Höxter an. Mit reichlicher Verspätung, die vor allem auf das Wetter zurückzuführen war, ging es nach dem die Boote abgeriggert und verladen waren, zurück nach Hann. Münden. Der gesellige Tagesausklang mit gutem Essen und Getränken musste etwas nach hinten verschoben werden, da viele Ruderer sich noch in den Unterkünften frisch machen wollten. Als dann alle wieder in der Bootshalle beisammensaßen, wurde miteinander auf die Ruderleistung angestoßen, Gespräche und Fragen von der Rudertour fortgesetzt bzw. beantwortet und miteinander Spaß gehabt.

Zum Festakt am Sonntagmorgen im Schloss von Hann. Münden begrüßten dann der stellvertretende DRV-Vorsitzende Torsten Gorski und der Staatssekretär Niedersachsens für Sport Stephan Manke die Wanderruderinnen und Wanderruderer. Unter den vielen Äquatorpreisen und Fahrtenabzeichen, die an verdiente Ruderinnen und Ruderer verliehen wurden, war auch eine ganz besondere Ehrung. Gerda Grzybowsky wurde als Ruderin geehrt, die mit 98 Jahren immer noch regelmäßig selbst rudert. In das Fahrtenbuch der Berlinerin kann sie wöchentlich immer noch etwa 30 Kilometer eintragen, die sie rund um und in Berlin im Wanderruderboot zurücklegt. Eine beachtliche und wirklich anerkennenswerte Leistung. 

Und traditionell zum Abschluss des Wanderrudertreffens wurde bereits auf das nächste Jahr geblickt. Dann geht es vom 15. bis 17. September 2023 zum 57. Wanderrudertreffen zum Neusser Ruderverein. Für die Brandenburgerinnen und Brandenburger war klar, an der geplanten Durchfahrt durch die Stadt Köln und über den Niederrhein nehmen wir auch im nächsten Jahr sicher wieder teil. 

Nicht nur viele schöne neue Eindrücke, Erfahrungen und Wissenswertes konnten wir vom diesjährigen Wanderrudertreffen mitnehmen, wir haben auch etwas Bleibendes in Hann. Münden hinterlassen. Für jeden Teilnehmer des Wanderrudertreffens wird der MRV nämlich im Dezember einen Baum im Mündener Regattawald pflanzen. So bleibt von uns 13 Brandenburgern und den vielen anderen Wanderruderern etwas, dass noch in Generationen vom 56. Wanderrudertreffen künden wird. Eine schöne Geste und ein gutes Gefühl.

Daniel Keip